Wie man den Drachen bezwingt. Der Erlebnisbericht von Brigitte.

Nun sitze ich am Flughafen in Manchester und die vielen Menschen sind nach der langen Zeit in der Natur etwas gewöhnungsbedürftig. Nach der Rangverkündigung gestern sind nun alle mit dem Car zurück in den Norden gefahren. An der Raststätte gab es endlich wieder Früchte, Chips, Bier, Schoggi, Sandwiches und ich glaube, dass ich noch nie so gierig in einem Laden nach diesen Dingen gegriffen habe.

Tag 1

Nach dem gestrigen Race Briefing laufe ich etwas unsicher los: Die vielen Routenänderungen sind im schönen, aber für mich nicht verständlichen Waleser Dialekt direkt vom einen Ohr zum anderen Ohr geflossen. Mitbekommen, aber ignoriert habe ich die Instruktion zum SOS-Button auf dem GPS. Er soll nur im äussersten Notfall gedrückt werden. Ein verdrehtes Knie oder ein verstauchter Fuss reichen nicht. Schliesslich sei dies ein hartes Rennen und die Teilnehmer müssen selber zurechtkommen. Na ja, ich beschliesse, den Button auch bei einem verstauchten Fuss zu drücken.

Die ersten Kilometer laufen gut. Es hat viele Läufer und ich finde die Checkpoints (rote Fähnchen mit Gerät zum Registrieren, dass ich da war) problemlos. Ich denke «Wow, das ist ja easy...». Ich rechne mit 12 Stunden.

Um 4 Uhr Nachmittags erreiche ich die höheren Berge. Nebel und Wind kommen auf und ich merke, dass ich nun jemanden suchen muss, an den ich mich anhängen kann. Ab und zu erscheint jemand aus dem Nebel, aber die Männer sind zu schnell und ich kann das Tempo nicht mithalten. Das GPS muss mir nun helfen, aber ich merke, dass ich auf diesem weglosen Geröll nicht laufen und gleichzeitig auf das GPS schauen kann. Ausserdem habe ich jede Orientierung verloren. Ich verlaufe mich und bekomme bei diesem bissigen Wind, der Kälte und dem Nebel ein etwas fahles Gefühl.

Dann sehe ich von weitem zwei Männer und ich haste in deren Richtung. Ich weiss, da muss ich bleiben. Die Zwei sind nicht allzu schlecht mit ihrem Kompass unterwegs. Wir laufen zusammen, respektive ich versuche dranzubleiben und den Schotten in ein Gespräch zu verwickeln, damit er langsamer läuft. Con redet und redet und ich verstehe nix. Meine Lungen gewöhnen sich nur langsam an das Tempo, aber ich weiss, dass dieses Tempo das kleinere Übel ist, als irgendwo in Nebel und Kälte verloren zu gehen. Verloren zu gehen mit Karte, Kompass und GPS scheint für viele unmöglich zu sein, für mich ist es leider Realität.

Nach zwei Stunden verletzt sich Con am Knie und ich bin (ojeeee mein Karma) froh - er drosselt das Tempo. Es geht über Felsen, steile Abhänge und ich frage mich, ob ich an einem Kletter-Contest bin. Auf jeden Fall bin ich hier falsch 😂.

Nach 13 Stunden erreichen wir endlich das Ziel. Beim Finisher-Zelt schüttelt der Organisator den Kopf - ich habe einen Checkpoint verfehlt! Ich breche erschöpft in Tränen aus, weil ich weiss, dass das heisst: das Rennen ist aus. Sie checken meinen Tracker und stellen fest, dass ich tatsächlich da war und den Stab wohl nicht richtig ins Gerät gesteckt habe. Es kann also weiter gehen. Ich esse kurz das vegetarische Menü, Reis mit Erbsen (igitt) und sinke in den warmen Schlafsack.

Tag 2

Die Nacht war kurz und der Schlaf hat sich kaum eingestellt. Der Körper ist zu müde und die Beine zu schwer. Um 4 Uhr geht der Wecker. Es muss gepackt werden für den Tag. Genug Essen, 3 Liter Wasser, Pflichtmaterial wie Regenjacke und Hose, langes Shirt, Karte Kompass, Mütze, Handschuhe, Stirnlampe ... mein Rucksack wiegt ca. 5 kg.

Um 6 Uhr laufe ich los. Ziemlich schnell treffe ich auf Paul, einen jungen Marine. Er scheint noch verlorener als ich im Nebel, aber wir beschliessen, zusammen zu bleiben und uns einen fähigen Mann zu suchen, dem wir folgen können.

Paul hat erst einen Strassenmarathon in seinem Leben gelaufen. Ich bin etwas erstaunt, dass er sich in diesem Geröll, wo man einen Schritt vorwärts kommt und zwei rückwärts geht, so gut schlägt. Er jammert nicht und flickt meinen Stock souverän mit Tape, als der Griff abfällt, da der Rest im Sumpf stecken bleibt. Marines, das sind eben noch echte Männer 😉

Wir bemerken eine Frau, in lila Shirt, welche einen souveränen Kartenleseeindruck macht. Es ist Linda und wir stellen fest, dass wir das Zelt zusammen teilen. Linda führt uns von Checkpoint zu Checkpoint. Sie ist eine ruhige, aber direkte schottische Lady, die nie flucht oder jammert. Sie mag das Gras und Moor. Ich stapfe hinter ihr her. Später schliesst sich uns Katharine an. Sie möchte auch nicht alleine laufen. Das letzte Dragon’s Back Race musste sie nach Tag 2 aufgeben. Nun will sie sicherer laufen. Wir vier bleiben zusammen.

Es läuft mit ein paar Verirrungen recht gut. Man verliert sofort eine Stunde, wenn man sich verirrt. Paul kommt an seine Grenzen, er möchte kurz ins Gras liegen. Ich weiss, dass das ein Fehler ist. Die Zeit lässt es nicht zu. Die Checkpoints müssen in einer bestimmten Zeit erreicht sein, und es handelt sich leider nicht um einen gemütlichen Spaziergang, sondern um Stress, den Checkpoint zu finden, einen guten Weg durch Heidelbeeren, Disteln, Geröll, Felsen, Moore und Grasflächen zu finden und die müden Augen offen zu halten.

Paul, den Marine, sehen wir nicht wieder. Er ist wohl eingeschlafen und musste dann abbrechen. Wir sind nun zu dritt. Katharine, Linda und ich kämpfen uns durch. Wir verfehlen viele Routen und nehmen wohl nie genommene Wege. Katharine ist gut in den Felsen, Linda stark im Gras und im Kartenlesen, ich übernehme den Lead auf Trampelpfaden bergauf. Jeder hat seine Rolle.

Wir schaffen das Ziel und beschliessen, Tag 3 zusammen zu laufen. Wieder vegetarisches Essen - waren es Kichererbsen? Dann ab in den warmen Schlafsack. Schlaf ca. 3 Stunden. Der Körper schmerzt zu sehr.

Tag 3

Ein neuer Tag. Er beginnt harzig. Ich fühle mich krank, bin erkältet und habe nicht richtig gegessen. Linda übernimmt den Lead. Sie läuft konstant, ermahnt mich zum Essen. Die Kuchen und Riegel sind mir schon ein Greuel. Ich versuche sie herunterzuzwängen.

Linda ist eine fürsorgliche Frau, aber drängt uns zum Laufen. Wir haben 1 Stunde mit einem Orientierungsfehler verloren. Katharine und Linda studieren die Karte, ich verfalle in einen Sekundenschlaf im Stehen. Nun müssen wir die Zeit aufholen, sonst reicht es nicht zum Checkpoint.

Es wird warm und Katharine und ich haben beide eine tiefe Krise. Ich habe das Gefühl, nichts mehr aus meinen Beinen herausholen zu können. Katherine weint still vor sich hin. Wir sagen Linda, dass sie weiter soll, damit sie es wenigstens schafft und Katharine und ich wollen langsamer laufen. Dann denk ich mir: Wenn wir es nicht schaffen bis zum nächsten Checkpoint, war alles für nichts. Ich sage Katharine, dass wir nun versuchen müssen, uns zusammen zu nehmen und Tempo zu machen. Ich spüle ein Brownie herunter und Katharine einen Gel, dann laufen wir. Wir holen Linda ein und erreichen den Checkpoint, 30 Minuten vor Schliessung. Das war knapp. Der Organisator scheint nur schnelle und gut orientierte Läufer in seinem Rennen haben zu wollen. Die Zeit ist knapp und erlaubt keinen Halt.

Nach diesem Höheflug - wir wissen, wir sind noch im Rennen - fliegen wir drei nach 14 Stunden Moor, Matsch, Heidelbeerstauden, Felsen und Disteln trotz einem kurzfristig ausgerenkten Finger von Kathrine regelrecht ins Ziel und beschliessen, nun alle Tage zusammen zu meistern.

Abendessen: Couscous mit Süsskartoffeln, hmmm. Schlaf ca. 3 Stunden.

Tag 4

Ich entschliesse mich, mal ordentlich zu Frühstücken. Tag 4 soll auch hart werden. Sicher 13 Stunden. Ich esse drei Eier und zwei Schalen Cornflakes. Das zahlt sich aus. Nach einem fatalen Orientierungsfehler müssen wir die Stunde wieder aufholen. Dank den Eiern fühle ich mich plötzlich auf einem langen Kiesweg kräftig.

Ich erlebe einen Höhenflug und kann uns gut zum nächsten Checkpoint ziehen. Linda will am nächsten Tag auch Eier essen. Auch im Moor kommen wir gut voran. Als ich bis zur Hüfte in einem Loch versinke und mich Katharine herausziehen muss, bemerkt Linda nur trocken: «Welcome to Great Britain, Bridget!!»

Wir laufen schnell. Vielleicht zu schnell, denn am Nachmittag schlägt die Krise bei mir ein wie eine Bombe. Es ist heiss. Heiss in Wales? Das Wasser geht uns aus. Ich fühle mich am Ende der Kräfte und lasse  mich von Katharine den Berg hochziehen. Das süsse Zeugs kann ich kaum mehr sehen. Man muss essen und trinken, aber man darf auch nicht zu viel essen, der Körper erträgt das nicht. Endlich ein Bach. Ich stelle meine heissen Füsse mitsammt Schuhen in den Bach. Das hilft. Kurz auf jeden Fall. Für die Blasenbildung ist es weniger gut. Aber man lebt und denkt im Moment.

Ich versuche, die Stunden durchzubringen, in dem ich mir vorstelle, was ich nun an einem Donnerstag machen würde. Das macht es besser. Ich beneide die Fotographen im Grass, beneide den Briefträger, der seinen Arbeitstag durch hat und nach Hause gehen kann. Ich kann erst ca. um 21h zu Hause im Zelt sein. Vom vielen Schneuzen bekomme ich Nasenbluten, und es stellt sich heraus, dass Linda Krankenschwester und Katharine Ärztin ist. 5 Minuten auf die Nase drücken, dann geht es weiter. Später hat Katharine ein Zittern in den Beinen. Wir halten kurz und sie isst.

Die Teerstrasse zum Zelt scheint nicht enden zu wollen. Ich kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Katharine singt vor sich hin, Linda bleibt cool. Wir kommen bei noch brütender Hitze um 20:30 Uhr im Ziel an. Meine Tränen wollen nicht stoppen. Dann wieder Reis, diesmal mit Broccoli, hmmmm.

Es ist die erste Nacht, in der ich schlafen kann. 4 Stunden vielleicht. Ich weiss, nun müssen wir den letzten Tag packen. Kein Verirren und keinen Zwischenfall.

Tag 5

Frühstück: heute vier Eier und Cornflakes. Linda würgt auch Eier hinunter. Ich muss lachen. Katharine weint. Sie ist am Ende mit den Nerven. Ich spreche ihr gut zu, muss aber selber meine Tränen unterdrücken. Alles ist auf dünnem Eis. Der Schlaf fehlt. Der Körper mag nicht mehr richtig.

Wir laufen los - wie immer um 6:00 Uhr. Um 9:00 Uhr erreichen wir ein Dorf und stürmen den Dorfladen. Es gibt Cola!!! Katharine trinkt zu schnell und muss erbrechen. Wir drosseln das Tempo. Aber weiter muss es gehen. Ein Kartenlesefehler und wir schaffen es nicht pünktlich ins Ziel.

Wieder ein enorm heisser Tag. Am Ziel sagt mir ein Waleser, dass es noch nie so heiss und schön war in Wales an drei Tagen hintereinander. Ich bin dankbar - wem auch immer ich dieses Wetterwunder verdanke. Linda leidet. In Schottland sei es immer schön regnerisch. Sie wird das erste Mal etwas mufflig. Die Blasen an den Füssen tun ihr weh. Meine Füsse? Die sind durch ein Wunder nur extrem angeschwollen und zwei Nägel fallen ab. Blasen habe ich keine. Ich will nur laufen und endlich im Ziel sein. Linda ermahnt mich an den täglichen Hammer: Bridget, you will burst us!

Sie hat recht. Es geht noch mindestens einen Arbeitstag. Ich picke mir den Montag heraus als Orientierungstag. Da ist im normalen Leben Arbeit angesagt am Morgen, am Nachmittag Massage und dann gehen Hannah und ich Schwimmen. Die Zeit will und will nicht vergehen. Die Hügel nehmen kein Ende und hinter dem einen erscheint wieder ein anderer. Linda und Katharina laufen nun auch mit dem Gedanken, etwas Gutes für Nepal zu tun, wenn sie mich ins Ziel bringen.

Dann sind es noch 6 km. Linda will nur noch Marschieren. Ich laufe und warte stets an den Bächen mit dem ganzen Schuh im Wasser. Dann hören wir das Ziel und laufen. Wir laufen voller Glück und spüren nur noch Erleichterung ... Well done, Katharine and Linda. You are both wonderful, and it was a present meeting you!

Es war ein Rennen, so hart wie ich es noch nie erlebt habe. 13-Stunden-Tage ohne Pause, 3-4 Stunden Schlaf pro Nacht, wenig essen und trinken, Stress, die Posten zu finden, nicht rechtzeitig beim Checkpoint zu sein, müde Beine, geschundene Zehen, extrem rauhes Klima, grauenhaftes Gelände. Das Krafttraining hat sich gelohnt. Das Gerüst war stabil und die Muskeln stark genug.

Fazit: Orientierungslauf ist nix für mich. Aber es war eine Erfahrung wert und jeder Kilometer hat sich für die Kinder in Matri Griha gelohnt. Das Wetter war ein Segen, und ohne die beiden strong Ladies würde ich noch heute irgendwo in Wales herumirren ...

Vielen Dank an:

  • alle Spender, die mich und somit Nepals Kinder unterstützen 
  • Hannah und Materli, für das Halten der Stellung zu Hause. Ihr seit die Besten und immer in meinem Herzen mitgelaufen

  • Werner, Susanne und little Sean, die zu Hause die Stellung am Compi gehalten haben

  • Ueli, fürs gute Betreuen meiner Hunde - eine Frau wollte mir unterwegs einen ihrer geretteten Greyhounds anhängen - ich hab dankend abgelehnt 😉

  • Sandra (Boss) für die Riesenunterstützung durchs Jahr hindurch und an den Rennen

  • Daniela für die fantastischen Behandlungen meines Gerüsts und das Betreuen meiner Tiere

  • Ueli für das Ausmerzen meiner Wehwehchen

  • Gusteli für das Extratraining

  • Allen, die mir so liebe Nachrichten ins Zelt geschickt haben oder mich sonst unterstützt haben

  • Corinne und Gereon von ChanceSwiss, die uns das Spenden möglich machen


Dem Drachen auf den Zahn fühlen: Brigitte auf Erkundungstour in Wales

Noch zwei Wochen bis zum Start des Dragons Back Race in Wales. Brigitte hat vor Ort nochmals einen Augenschein genommen. Und kommt zum Schluss, dass der Drachen nur mit dem richtigen Mind-Set bezwungen werden kann. Ein Bericht von Brigitte.

Alle guten Dinge sind drei: Mein letzter Besichtigungstrip der Waleser Berge ist abgeschlossen.

Fazit:  

  • Der richtige Schuh steht nach etlichen Schuhkäufen diverser Marken endlich fest: Columbia Colorado II - merci Patrick Rieckert und Timon Abegglen für den Tipp! Der Schuh hält auf nassem Fels fest, rutscht nicht in den sumpfigen Passagen und bietet eine gute Dämpfung für die langen Tage. Danke an BigFriends für die tollen Shirts und natürlich den adretten Sport-BH ;-)!
     
  • Es leben unsere Wanderwege! Das Kraxeln und Suchen nach einer Route ist nicht ganz ohne, und ich bin froh, dass ich mich bereits vor dem Rennen darauf einstellen kann. 
     
  • 1 Kilometer zu laufen und zu kraxeln wird enorm viel Zeit in Anspruch nehmen. Ruhe bewahren und sich täglich auf einen 12-Stunden-Lauftag einstellen – das wird mein Mind-Map. 
Ruhe bewahren und sich täglich auf einen 12-Stunden-Lauftag einstellen – das wird mein Mind-Map.
— Brigitte
  • Karte, Kompass, GPS und eine App auf dem Telefon als Backup sollten mich zu den Pflichtcheckpoints führen – habe aber immer noch die Hoffnung, mich einem kompetenten Mitstreiter anzuhängen ;-) 
     
  • Das Wetter: gar nicht mein Klima. Die Kälte und Nässe wird mir alles abverlangen. Mind-Map auch zu diesem Punkt: Nach 5 Minuten ist alles nass – get used to it for 12 hours a day!
Mind-Map auch zum Wetter: Nach 5 Minuten ist alles nass – get used to it for 12 hours a day!
— Brigitte
  • Und auch hier in Wales muss ich lernen, nicht gegen das Gelände zu kämpfen. Einen Berg zu erklimmen ist einfacher, als wieder abzusteigen. Ruhig bleiben, Kopf beeinanderhalten und Schritt für Schritt absteigen.

Nun heisst es noch eine Woche voll zu trainieren, also 2 bis 3 Stunden am Tag, dann wird eine Woche regeneriert. 

Die Packliste muss nochmals überarbeitet werden, da der Platz limitiert ist. Und: Natürlich braucht es ein gutes Fuss-First-Aid-Set, denn in Wales werden einem die Füsse nicht gepflegt, das muss selber gemacht werden.

Das Dragons Back Race wird meine bisher grösste Laufherausforderung sein – Kälte, Nässe, Navigieren und täglich den ganzen Tag unterwegs zu sein, wird eine harte Prüfung. Ich schaue mit Freude, aber auch mit sehr viel Respekt auf dieses Abenteuer. Der Gedanke an die Kinder in Nepal wird mich vorantreiben, und eure Spenden motivieren mich, mein Bestes zu geben und den Drachen zu bezwingen. Danke an alle!



RUN FOR HOPE 2017: Mit 300 Laufkilometern den Drachen bezwingen – und Wunder ermöglichen

RUN FOR HOPE will auch 2017 etwas bewegen: Brigitte startet beim Dragon’s Back Race in Wales über 300 Kilometer und 16'000 Höhenmeter und sammelt Spendengelder für ein Schul- und Therapiezentrum in Nepal. Die betroffenen Kinder stehen ganz am Rand der Gesellschaft – und Brigitte vor dem bisher härtesten Lauf ihres Lebens. 

RUN FOR HOPE 2017 - Dragons Back Race.jpg

Photography provided by Kris Williams

Dass Kinder mit einer Behinderung in Nepal einen besonders schweren Stand haben, hat Brigitte bei ihrem Besuch von Nepal Matri Griha im letzten Jahr aus erster Hand erfahren. Die Organisation betreibt in Kathmandu eine Sozialschule für 350 Schüler aus benachteiligten Familien sowie ein Therapiezentrum für 100 körperlich und geistig behinderte Kinder. Mit einem integrativen Konzept gibt ihnen Nepal Matri Griha die Chance für eine bessere Zukunft. 

Motivation: Wunder bewirken und Leben verbessern
«Ich war beeindruckt, mit welcher Hingabe sich die Therapeuten um die Kinder gekümmert haben», erzählt Brigitte. Die Kinder lernen das Sitzen, Gehen und Sprechen und werden befähigt, alltägliche Dinge wie Anziehen, Essen oder Zähneputzen selbständig zu erledigen. «Durch die Betreuung sind schon viele Wunder vollbracht worden», sagt Brigitte. Kinder, von denen die Ärzte gesagt haben, dass sie nie laufen werden, können heute gehen. «Das hat mich motiviert, weitere Wunder zu ermöglichen und diesen Kindern ein selbstbestimmtes Leben zu schenken.»

Das hat mich motiviert, weitere Wunder zu ermöglichen und diesen Kindern ein selbstbestimmtes Leben zu schenken.
— Brigitte Daxelhoffer

Challenge: Orientierung auf dem «Drachenrücken»
Um die bedürftigen Kinder bei Nepal Matri Griha zu unterstützen, hat Brigitte ihre sportliche Messlatte nochmals höher gesetzt: Vom 22. bis 26. Mai startet sie beim legendären Dragon’s Back Race über 300 Kilometer und 16'000 Höhenmeter. Das Rennen gilt als härtestes 5-Tage-Bergrennen weltweit und führt ohne Wegmarkierung durch das spektakuläre Gebirge von Wales, das an einen Drachenrücken erinnert. Unterwegs müssen sich die Teilnehmer selbst verpflegen. «Die Orientierung ist die grösste Herausforderung», sagt Brigitte. Sie wird voraussichtlich pro Tag mindestens 12 Stunden mit GPS und Karte unterwegs sein und ca. 60 Kilometer absolvieren. Für Brigitte heisst das: ein Rennen ohne Streckenposten bei unberechenbarem Wetter - mit anstrengender Kopfarbeit und wenig Zeit für Erholung.

Die Orientierung ist die grösste Herausforderung.
— Brigitte Daxelhoffer

Jetzt spenden und Teil des Abenteuers werden
RUN FOR HOPE nimmt ab sofort Laufspenden entgegen. Die möglichen Spendenbeträge liegen wahlweise wiederum bei 10, 20 oder 30 Rappen pro Kilometer. Schafft Brigitte die ganze Strecke, beträgt die Spende maximal 30, 60 oder 90 Franken. Auch Sofortspenden sind möglich. Jeder Franken geht zu 100 Prozent an Nepal Matri Griha. Das Abenteuer von Brigitte dokumentieren wir ausführlich auf dieser Webseite und auf Facebook.

 


RUN FOR HOPE 2016 im Ziel: Besuch bei der Teresa Academy

Höhepunkt der diesjährigen Nepal-Reise war der Besuch von Brigitte und Karin bei der Teresa Academy. Hier fliessen die 12'475 Franken hin, welche durch die Hoffnungsspender beim diesjährigen Spendenlauf am MARATHON DES SABLES zusammengekommen sind. Und RUN FOR HOPE hat schone eine konkrete Idee, wie alle Kinder sinnvoll unterstützt werden können ...  Mehr dazu im Bericht von Brigitte.

"Maiti Nepal und die Teresa Academy befinden sich etwas versteckt in Kathmandu. Die Schulleiterin, Flora Gurung, nimmt uns freundlich im Empfang und erklärt uns das Konzept von Maiti Nepal. Die Organisation bekämpft den Menschenhandel und die Zwangsprostitution von nepalesischen Frauen in Indien und gibt diesen Menschen ein Zuhause.

Aus Sicherheitsgründen dürfen wir nur Kinder in Gruppen fotografieren, Babys nicht. Als erstes dürfen wir die Schlafräume der Kinder und Frauen sehen. Als nächstes gibt uns Flora einen Einblick in die Küche, wo auch Frauen, die in Maiti wohnen, arbeiten. Dann dürfen wir uns die Baby-Waisenstation anschauen. Die Babys sind mehrheitlich Mädchen, die durch Vergewaltigung entstanden sind, von ihrer Familie unerwünscht waren oder aus zerrütteten Verhältnissen aufgegriffen wurden. Als Mutter einer Tochter hat mich der Raum mit den Babys am meisten ergriffen. 

Dann geht es weiter in die Schule, die vom Kindergarten bis zur Oberstufe reicht. Wir dürfen uns mehrere Klassen ansehen und werden von den Kindern freundlich empfangen. Flora erklärt uns, dass der grösste Wunsch der Schule ein Gemeinschaftsraum wäre, denn die Schule besitzt nur einen gemeinsamen Aussenplatz, auf dem die Kinder spielen können. In der Regenzeit von Mai bis Juli gibt es keine Möglichkeit für die Kinder, gemeinsam auf einer Fläche zu spielen. Flora wird mir die genauen Angaben zum Kostenpunkt des Umbaus der Terrasse zu einer gedeckten Spielfläche mitteilen. Es wäre wunderbar, wenn wir die Spenden für diesen Zweck einsetzen könnten! 

Letzte Station ist die Klinik, in welcher kleine Verletzungen und Krankheiten therapiert werden. Viele Kinder und Frauen sind HIV-infisziert und benötigen früher oder später eine Behandlung.  Die Teresa Academy und die ganze Organisation Maiti Nepal hat uns einen äusserst guten Eindruck gemacht. Wir freuen uns sehr, dass unser Spendengeld hier direkt, sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden kann. Danke euch allen!"



Brigitte unplugged: Grenzerfahrung Annapurna 100

"Freitag um 20 Uhr: Ich bin endlich in Zürich angekommen und erwische pünktlich meinen Flug über Muskat nach Kathmandu. Zwölf Stunden später treffe ich mich mit Karin am Flughafen von Kathmandu. Wir treffen auf unseren Fahrer und die Reise nach Pokhara beginnt. Die 2-stündige Fahrt durch Kathmandu zeigt, dass das Erdbeben seine Spuren hinterlassen hat. Der Schlaf im Auto stellt sich nicht ein, zu kriminell scheint uns die Fahrt, und immer wieder müssen wir uns vor Schreck aneinander festhalten. Der Zwischenhalt bei der Tankstelle und die Begegnung mit dem „mit-Henna-gefärbten-Ohren-Hund“ (siehe Foto) sind eine willkommene Pause. 

Um 23 Uhr wir erreichen Pokhara und werden freundlich vom Organisator des Rennens empfangen. Ich erhalte die Startnummer und eine nepalesische Simkarte für den Notfall, ausserdem installiere ich die GPS Tracker App in der Hoffnung, dass ich sie nie benutzen muss, was sich später als unwahr herausstellt. Um Mitternacht sind wir im Zimmer, packen alles für den Lauf. Zwei Stunden später geht der Wecker wieder und wir machen uns, natürlich ohne Frühstück, an den Start. Oh je, auch am Start gibt es kein Essen. 

Start ist kurz nach 4 Uhr. Ich laufe mit der Schweizerin Katja los und bin froh, dass wir zu zweit sind. Wir ergänzen uns gut, und den bellenden Hunden auf der Strasse gehen wir so gut es geht aus dem Weg. Bis Kilometer 20 läuft alles rund, wir haben einen guten Rhythmus. Dann merken wir, dass wir uns verirrt haben. Die Inderin, die sich uns angeschlossen hat, beginnt zu weinen und fürchtet sich, dass sie nie mehr nach Hause kommt. Wir versuchen sie zu beruhigen und fragen uns, wie sie die Nacht in den Bergen wohl verbringen wird, wenn sie schon im Tal weint. Katja und ich starten unser GPS und starten den Rückweg. Ich weiss nun, wie es funktioniert! 

Endlich kommt der erste Posten und es gibt Toast. Ich nehme mir vor, zwei Stück zu essen. Nach einem staubigen Bissen überlasse ich den Rest den Hunden. Das Klima ist gewöhnungsbedürftig: tropisch, heiss und feucht, und es wird zunehmend unerträglich. Ich habe Durst und bin froh um das Wasser, das eine Bauernfamilie bei einem selbst eingerichteten Posten anbietet. Das nicht abgekochte Wasser war wohl eher ein Fehler. Zu wenig essen und trinken, die Anstrengung und die raucherfüllte, stickige Luft führen zu Übelkeit und Erbrechen. Ich lasse meine Landfrau ziehen und drossle das Tempo.  Es geht nun einen steilen Berg hoch. Der Anstieg nimmt kein Ende. Mein Mut verlässt mich zum ersten Mal, das restliche Wasser in den Flaschen auch. Ich komme an Hütten vorbei. Die Kinder empfangen mich mit Blumen und strahlenden Augen, aber kein Wasser. Schlussendlich weiss ich, entweder ich trinke das Wasser aus dem Bach mit dem Risiko, unsauberes Wasser zu mir zu nehmen, oder ich nehme eine Dehydrierung in Kauf. Das erstere scheint mir sinnvoller, und ich tauche den ganzen Kopf in den Bach. Am liebsten würde ich so verweilen, aber ich weiss, dass ich weiter muss, um nicht zu lange in der Nacht laufen zu müssen. 

Die Übelkeit kommt zurück. Ich wünschte, es gäbe beim nächsten Check Point eine Cola. Es gibt Wasser in Cola-Flaschen abgefüllt und Nudel-Kohl-Suppe und Blumen von einem Mädchen. Die Blumen bauen mich auf, das fehlende Cola bringt mich fast zum Verzweifeln. Der Weg geht weiter und ich komme zu einem kleinen Dorf. Frauen und Kinder sitzen vor dem Haus. Auf dem Fenstersims steht eine 1.5 Liter Flasche Cola! Ich gehe zur einen Frau und erkläre ihr, dass ich diese Flasche kaufe. Ich habe einen 50 Dollarschein bei mir und würde ihn locker abgeben für dieses Goldstück namens Cola. Sie wollen kein Geld, nur viele Fotos machen von der komischen, Cola trinkenden Frau, die 1 Liter in 30 Sekunden leert. 

Nun geht es besser und ich merke, dass der Schwung zurückkommt. Ich laufe gut durch - bergauf, bergab an Dörfern vorbei und sehe einmal mehr, wie gut es uns in der Schweiz geht. Die Menschen leben mit ihren Tieren auf engstem Raum, und die Arbeit auf den Feldern ist hart, jeden Tag aufs Neue.  Um 17 Uhr folgt auf die Hitze ein heftiger Regenguss. Der Weg wird zu einem Bach. Punkt 18 Uhr wird es dunkel und ich aktiviere meine Stirnlampe. Die Orientierung wird nun noch schwieriger. Nun folgt der grösste Aufstieg in einem Urwald. Ich überlege, welche Tiere ich hier wohl antreffen könnte und ob mir wohl Menschen begegnen werden. Nach drei Stunden ist es mir egal und ich lasse meinen iPod an. 

1 Stunde später, immer noch im endlosen Wald, holen mich zwei Lichter ein. Es sind zwei Personen von der Organisation. Sie erklären mir, dass sie nun hinter mir gehen, da lange keine Läufer mehr hinter mir kommen werden, und ich somit zu alleine wäre. Ich bin erleichtert und frage sie, wie lange sich dieser verfluchte Wald noch dahinziehen wird. 1 Stunde - das scheint machbar zu sein. Pünktlich um 20.10 Uhr frage ich nach, ob wir nun den Gipfel erreicht haben. Nein, noch drei Viertel Stunden. Ich muss mich zusammenreissen, dass ich mich nicht ärgere, und setze mich auf einen Stein. Alle Kraft verschwindet plötzlich aus mir. Der eine Mann hat Mitleid und nimmt einen Beutel mit gekochtem Reis hervor. Er gibt mir zwei Hände voll, und ich bin froh um die erste schlaue Verpflegung seit 16 Stunden. Der Reis wirkt Wunder und meine Beine schlagen sich wieder tapfer den treppenähnlichen Urwaldweg hoch. 

Nach 1 Stunde erreichen wir den zweitletzten Check Point. Ein paar Cola-Flaschen gefüllt mit gelblich gefärbtem Wasser: spezielle Elektrolyten, erklärt mir der Mann am CP. Es schmeckt grässlich. Nun wird es richtig kalt und ich laufe freiwillig weiter. Endlich habe ich drei Läufer eingeholt. Mit dem Spanier laufe ich schlussendlich dem letzten Check Point entgegen. Seine Stirnlampe und sein Handy haben den Geist aufgegeben, und er muss nun mit mir laufen. Ich bin froh, denn er scheint mit der Orientierung leichter zurechtzukommen als ich. Obwohl: Dreimal erklärt er mir, dass wir in 500 Meter im Ziel sind, setzt zum Endspurt an und muss dann feststellen, es geht noch weiter. Nach 4 Kilometer erreichen wir das Ziel tatsächlich! 

23 Stunden hat mich dieser Lauf durch Höhen und Tiefen geführt: die Freundlichkeit der Bergbewohner war Gold wert, die Orientierung sehr schwierig, Essen und Trinken eine Herausforderung, das Alleinsein über mehrere Stunden bei Nacht im Dschungel eine Grenzerfahrung. Doch der Gedanke auf die folgenden Tage mit Kinderbesuchen hat mich angespornt."