RUN FOR HOPE 2016 im Ziel: Besuch bei der Teresa Academy

Höhepunkt der diesjährigen Nepal-Reise war der Besuch von Brigitte und Karin bei der Teresa Academy. Hier fliessen die 12'475 Franken hin, welche durch die Hoffnungsspender beim diesjährigen Spendenlauf am MARATHON DES SABLES zusammengekommen sind. Und RUN FOR HOPE hat schone eine konkrete Idee, wie alle Kinder sinnvoll unterstützt werden können ...  Mehr dazu im Bericht von Brigitte.

"Maiti Nepal und die Teresa Academy befinden sich etwas versteckt in Kathmandu. Die Schulleiterin, Flora Gurung, nimmt uns freundlich im Empfang und erklärt uns das Konzept von Maiti Nepal. Die Organisation bekämpft den Menschenhandel und die Zwangsprostitution von nepalesischen Frauen in Indien und gibt diesen Menschen ein Zuhause.

Aus Sicherheitsgründen dürfen wir nur Kinder in Gruppen fotografieren, Babys nicht. Als erstes dürfen wir die Schlafräume der Kinder und Frauen sehen. Als nächstes gibt uns Flora einen Einblick in die Küche, wo auch Frauen, die in Maiti wohnen, arbeiten. Dann dürfen wir uns die Baby-Waisenstation anschauen. Die Babys sind mehrheitlich Mädchen, die durch Vergewaltigung entstanden sind, von ihrer Familie unerwünscht waren oder aus zerrütteten Verhältnissen aufgegriffen wurden. Als Mutter einer Tochter hat mich der Raum mit den Babys am meisten ergriffen. 

Dann geht es weiter in die Schule, die vom Kindergarten bis zur Oberstufe reicht. Wir dürfen uns mehrere Klassen ansehen und werden von den Kindern freundlich empfangen. Flora erklärt uns, dass der grösste Wunsch der Schule ein Gemeinschaftsraum wäre, denn die Schule besitzt nur einen gemeinsamen Aussenplatz, auf dem die Kinder spielen können. In der Regenzeit von Mai bis Juli gibt es keine Möglichkeit für die Kinder, gemeinsam auf einer Fläche zu spielen. Flora wird mir die genauen Angaben zum Kostenpunkt des Umbaus der Terrasse zu einer gedeckten Spielfläche mitteilen. Es wäre wunderbar, wenn wir die Spenden für diesen Zweck einsetzen könnten! 

Letzte Station ist die Klinik, in welcher kleine Verletzungen und Krankheiten therapiert werden. Viele Kinder und Frauen sind HIV-infisziert und benötigen früher oder später eine Behandlung.  Die Teresa Academy und die ganze Organisation Maiti Nepal hat uns einen äusserst guten Eindruck gemacht. Wir freuen uns sehr, dass unser Spendengeld hier direkt, sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden kann. Danke euch allen!"



Brigitte unplugged: Grenzerfahrung Annapurna 100

"Freitag um 20 Uhr: Ich bin endlich in Zürich angekommen und erwische pünktlich meinen Flug über Muskat nach Kathmandu. Zwölf Stunden später treffe ich mich mit Karin am Flughafen von Kathmandu. Wir treffen auf unseren Fahrer und die Reise nach Pokhara beginnt. Die 2-stündige Fahrt durch Kathmandu zeigt, dass das Erdbeben seine Spuren hinterlassen hat. Der Schlaf im Auto stellt sich nicht ein, zu kriminell scheint uns die Fahrt, und immer wieder müssen wir uns vor Schreck aneinander festhalten. Der Zwischenhalt bei der Tankstelle und die Begegnung mit dem „mit-Henna-gefärbten-Ohren-Hund“ (siehe Foto) sind eine willkommene Pause. 

Um 23 Uhr wir erreichen Pokhara und werden freundlich vom Organisator des Rennens empfangen. Ich erhalte die Startnummer und eine nepalesische Simkarte für den Notfall, ausserdem installiere ich die GPS Tracker App in der Hoffnung, dass ich sie nie benutzen muss, was sich später als unwahr herausstellt. Um Mitternacht sind wir im Zimmer, packen alles für den Lauf. Zwei Stunden später geht der Wecker wieder und wir machen uns, natürlich ohne Frühstück, an den Start. Oh je, auch am Start gibt es kein Essen. 

Start ist kurz nach 4 Uhr. Ich laufe mit der Schweizerin Katja los und bin froh, dass wir zu zweit sind. Wir ergänzen uns gut, und den bellenden Hunden auf der Strasse gehen wir so gut es geht aus dem Weg. Bis Kilometer 20 läuft alles rund, wir haben einen guten Rhythmus. Dann merken wir, dass wir uns verirrt haben. Die Inderin, die sich uns angeschlossen hat, beginnt zu weinen und fürchtet sich, dass sie nie mehr nach Hause kommt. Wir versuchen sie zu beruhigen und fragen uns, wie sie die Nacht in den Bergen wohl verbringen wird, wenn sie schon im Tal weint. Katja und ich starten unser GPS und starten den Rückweg. Ich weiss nun, wie es funktioniert! 

Endlich kommt der erste Posten und es gibt Toast. Ich nehme mir vor, zwei Stück zu essen. Nach einem staubigen Bissen überlasse ich den Rest den Hunden. Das Klima ist gewöhnungsbedürftig: tropisch, heiss und feucht, und es wird zunehmend unerträglich. Ich habe Durst und bin froh um das Wasser, das eine Bauernfamilie bei einem selbst eingerichteten Posten anbietet. Das nicht abgekochte Wasser war wohl eher ein Fehler. Zu wenig essen und trinken, die Anstrengung und die raucherfüllte, stickige Luft führen zu Übelkeit und Erbrechen. Ich lasse meine Landfrau ziehen und drossle das Tempo.  Es geht nun einen steilen Berg hoch. Der Anstieg nimmt kein Ende. Mein Mut verlässt mich zum ersten Mal, das restliche Wasser in den Flaschen auch. Ich komme an Hütten vorbei. Die Kinder empfangen mich mit Blumen und strahlenden Augen, aber kein Wasser. Schlussendlich weiss ich, entweder ich trinke das Wasser aus dem Bach mit dem Risiko, unsauberes Wasser zu mir zu nehmen, oder ich nehme eine Dehydrierung in Kauf. Das erstere scheint mir sinnvoller, und ich tauche den ganzen Kopf in den Bach. Am liebsten würde ich so verweilen, aber ich weiss, dass ich weiter muss, um nicht zu lange in der Nacht laufen zu müssen. 

Die Übelkeit kommt zurück. Ich wünschte, es gäbe beim nächsten Check Point eine Cola. Es gibt Wasser in Cola-Flaschen abgefüllt und Nudel-Kohl-Suppe und Blumen von einem Mädchen. Die Blumen bauen mich auf, das fehlende Cola bringt mich fast zum Verzweifeln. Der Weg geht weiter und ich komme zu einem kleinen Dorf. Frauen und Kinder sitzen vor dem Haus. Auf dem Fenstersims steht eine 1.5 Liter Flasche Cola! Ich gehe zur einen Frau und erkläre ihr, dass ich diese Flasche kaufe. Ich habe einen 50 Dollarschein bei mir und würde ihn locker abgeben für dieses Goldstück namens Cola. Sie wollen kein Geld, nur viele Fotos machen von der komischen, Cola trinkenden Frau, die 1 Liter in 30 Sekunden leert. 

Nun geht es besser und ich merke, dass der Schwung zurückkommt. Ich laufe gut durch - bergauf, bergab an Dörfern vorbei und sehe einmal mehr, wie gut es uns in der Schweiz geht. Die Menschen leben mit ihren Tieren auf engstem Raum, und die Arbeit auf den Feldern ist hart, jeden Tag aufs Neue.  Um 17 Uhr folgt auf die Hitze ein heftiger Regenguss. Der Weg wird zu einem Bach. Punkt 18 Uhr wird es dunkel und ich aktiviere meine Stirnlampe. Die Orientierung wird nun noch schwieriger. Nun folgt der grösste Aufstieg in einem Urwald. Ich überlege, welche Tiere ich hier wohl antreffen könnte und ob mir wohl Menschen begegnen werden. Nach drei Stunden ist es mir egal und ich lasse meinen iPod an. 

1 Stunde später, immer noch im endlosen Wald, holen mich zwei Lichter ein. Es sind zwei Personen von der Organisation. Sie erklären mir, dass sie nun hinter mir gehen, da lange keine Läufer mehr hinter mir kommen werden, und ich somit zu alleine wäre. Ich bin erleichtert und frage sie, wie lange sich dieser verfluchte Wald noch dahinziehen wird. 1 Stunde - das scheint machbar zu sein. Pünktlich um 20.10 Uhr frage ich nach, ob wir nun den Gipfel erreicht haben. Nein, noch drei Viertel Stunden. Ich muss mich zusammenreissen, dass ich mich nicht ärgere, und setze mich auf einen Stein. Alle Kraft verschwindet plötzlich aus mir. Der eine Mann hat Mitleid und nimmt einen Beutel mit gekochtem Reis hervor. Er gibt mir zwei Hände voll, und ich bin froh um die erste schlaue Verpflegung seit 16 Stunden. Der Reis wirkt Wunder und meine Beine schlagen sich wieder tapfer den treppenähnlichen Urwaldweg hoch. 

Nach 1 Stunde erreichen wir den zweitletzten Check Point. Ein paar Cola-Flaschen gefüllt mit gelblich gefärbtem Wasser: spezielle Elektrolyten, erklärt mir der Mann am CP. Es schmeckt grässlich. Nun wird es richtig kalt und ich laufe freiwillig weiter. Endlich habe ich drei Läufer eingeholt. Mit dem Spanier laufe ich schlussendlich dem letzten Check Point entgegen. Seine Stirnlampe und sein Handy haben den Geist aufgegeben, und er muss nun mit mir laufen. Ich bin froh, denn er scheint mit der Orientierung leichter zurechtzukommen als ich. Obwohl: Dreimal erklärt er mir, dass wir in 500 Meter im Ziel sind, setzt zum Endspurt an und muss dann feststellen, es geht noch weiter. Nach 4 Kilometer erreichen wir das Ziel tatsächlich! 

23 Stunden hat mich dieser Lauf durch Höhen und Tiefen geführt: die Freundlichkeit der Bergbewohner war Gold wert, die Orientierung sehr schwierig, Essen und Trinken eine Herausforderung, das Alleinsein über mehrere Stunden bei Nacht im Dschungel eine Grenzerfahrung. Doch der Gedanke auf die folgenden Tage mit Kinderbesuchen hat mich angespornt."



Nächster Streckenposten: Nepal

RUN FOR HOPE bereitet sich auf das zweite grosse Abenteuer in diesem Jahr vor: Die Reise nach Nepal. Höhepunkt ist der Besuch der Teresa Academy, wo Brigitte und Karin das Spendengeld 2016 persönlich übergeben. Auf dem Programm stehen zudem das Wiedersehen mit den Kindern von Ash Gurung. Der Bericht von Brigitte.

Am 21. Oktober ist es soweit: Ich fliege wieder nach Nepal und treffe dort Karin. Unser Ziel ist es, Maiti Nepal und die Teresa Academy zu besuchen und die Spendengelder, die wir in diesem Jahr gesammelt haben, persönlich zu übergeben. Ich freue mich riesig, die Kinder und Frauen zu treffen und allen Hoffnungsspender von RUN FOR HOPE vor Ort zu zeigen, wie gut jeder Franken eingesetzt werden kann. Weiter wollen wir Alisma und Abin, die beiden Kinder von Ash Gurung, in der Schule besuchen. 

Natürlich darf auch das Training nicht zu kurz kommen. Da ich im nächsten Jahr etwas ganz Grosses für RUN FOR HOPE plane, ist es für mich wichtig, Erfahrungen an verschiedenen Läufen zu sammeln. Aus diesem Grund nehme am Annapurna 100 teil, einem 100 Kilometer-Lauf durch die Berge Nepals. Am 23. Oktober ist der Start, obwohl noch genaue Angaben zu Startort, Startzeit, Strecke und Höhenprofil fehlen. Für mich bedeutet das eine ganz neue Erfahrung. Man läuft einfach mal los, ohne grosse Planung bezüglich Streckenposten, Verpflegung und Einschätzungen bezüglich Höhenunterschiede – unvergleichbar mit einem Eiger Ultra Trail. 

Beim Training in Fuerteventura galt es nun, täglich längere Laufeinheiten durchzuführen, auf sich alleine gestellt zu sein (einziger Hinweis auf Lebewesen sind ein paar Knochen), mit wenig Verpflegung durchzukommen und schwieriges, steiles Gelände aufzusuchen (was durchaus seine Opfer fordert – danke Ascis-Schuh für deine 1-monatige Treue ...). Die Lunge läuft hier perfekt, ganz anders als zuhause und ich hoffe, dass es in Nepals Höhen genauso rund läuft. 

Ich freue mich auf viele Höhepunkte in Nepal! Natürlich könnt ihr mit RUN FOR HOPE wiederum live dabei sein!



Wie man den härtesten Lauf der Welt übersteht. Der Erlebnisbericht von Brigitte.

Am 8. Mai landet Brigitte in der marokkanischen Sahara. Was sie in den nächsten Tagen erlebt, ist geprägt von extremen Bedingungen, unglaublichen Strapazen, Hochs und Tiefs, die Brigitte nur dank ihren «6 Goldenen Wüstenregeln» und der Unterstützung zahlreicher Menschen bewältigt. RUN FOR HOPE 2016 war ein Abenteuer fürs Leben – für 428 benachteiligte Kinder in Nepal.

Seit fast einer Woche bin ich wieder zu Hause. Täglich holen mich die Erinnerungen an die Wüste ein und es vergeht keine Nacht, in der ich mich nicht an einem Checkpoint inmitten der Sahara befinde und weiss, ich muss nun endlich aufstehen und weiterlaufen. Ein unvergessliches Abenteuer geht zu Ende und ich möchte es mit einem Erfahrungsbericht für euch abschliessen.

 

8. April – 9. April 2016

Wir sind in der Wüste gelandet. Wir, ein paar wenige Schweizer, die unter anderem Zelt 37 belegen, viele Engländer, die sich unterwegs oft wieder «Nuts» nennen, weil sie sich für diese Strapazen angemeldet haben, und andere Nationen aus aller Welt.

Unser Zelt besteht aus einer Plane und ein paar Stöcken. Die Konstruktion hält - auch nachdem in den ersten beiden Nächten ein Sturm über die Anlage fegt.

Wir geben uns Mühe unter dem Teppich die Steine wegzuräumen, den Teppich an der Sonne zu entkeimen und ohne Schuhe das Zelt zu betreten - 2 Tage später denkt niemand mehr daran.  Die Nächte werden kalt und nach 21 Uhr befindet sich niemand mehr ausserhalb des Schlafsacks. 

Einen Tag vor dem Start treffe ich den «Besenwagen»: 2 Männer mit Dromedar. Der eine Mann, zerfurcht und ohne Zähne, erzählt mir, dass er den MDS schon fünf Mal mit seinem Tier abgewandert ist. Er hat wohl nie eine Medaille bekommen ... Ich schwöre mir, wenn ich dieses Abenteuer überstehe, werde ich den Mann belohnen.

Ein letztes Mal kann man seinen Rucksack optimieren, das Telefon benutzen, dann gilt es, Rucksack und Inhalt dem Organisator zu präsentieren, zu wägen (meiner wiegt 8.5kg ohne die 3 l Wasser), Live Tracker und Wasserkarte entgegenzunehmen, Arztzeugnis und EKG abzugeben und sich vom Rest des Gepäcks zu trennen. 

Es gibt eine wunderbare Henkersmahlzeit vom Organisatoren - leider ohne Wein. Ich bin guten Mutes. Die Landschaft erinnert mich an unsere Ferien und Trainings in Fuerteventura und ich bin der Meinung, dass alles gut gehen wird. 

10. April 2016: Etappe 1, 34 km

Endlich fällt der Startschuss. Ich weiss, es sind 3 km flach, dann kommen die Dünen. Ich bringe die 3 km relativ gut hinter mich, bin zufrieden - dann kommt der Schlag: Die Dünen sind ein Alptraum.

Ich wechsle in den Schritt. Das bedeutet; 1 kleiner Schritt vor, 2 zurück. Ich fühle mich träge, die Beine sind schwer, ich habe das Gefühl, mich in einem bösen Traum zu befinden. Es ist der Traum zu laufen, aber an derselben Stelle zu bleiben. 12km Dünen. Ich gewöhne mich nicht daran. Versuche in den Fussstapfen der Anderen zu gehen, das macht es nicht besser, ich bleibe teils stecken und weiss nicht, wie ich diese Hänge erklimmen soll. 

Dünen, Dünen, Dünen. Ich denke bereits ans Aufgeben, fluche und schwöre mir, nie, nie mehr zurückzukommen. Ich hasse den Sand, kämpfe gegen ihn wie gegen einen grossen Feind. 

Die Dünen legen sich. Steiniges Gelände, Kamelgras - meine Laune wird nicht besser. Die Beine werden schwerer und schwerer. Ich bin müde. Der Rucksack ist schwer und ich verfluche mich, dass ich nie mit dem Gewicht am Rücken trainiert habe. Anstelle eines vorgenommenen 5er Schnitts laufe ich in einem 7er Schnitt. Ich habe das Gefühl stillzustehen, weine und bin nur dankbar, als ich das erste Biwak sehe. 

Ich weiss nicht, wie ich dieses Rennen überstehe. Marco aus unserem Zelt motiviert mich, erklärt mir, dass ich die Ideallinie in der Landschaft suchen muss, meinen Rhythmus suchen muss. Merci Marco! 

Die vielen guten Nachtrichten ins Zelt motivieren mich - danke von ganzem Herzen an alle, die an mich gedacht haben! 

Der nächste Tag macht mir Angst und ich schlafe schlecht. Ich träume von einem Skorpion und schreie in der Nacht. Der Schlafplatz neben mir wird in der Folge unbeliebt ;-)

 

11. April 2016: Etappe 2, 41.3 km

Der Startschuss ertönt. Ich laufe mein Tempo. Ein 7ner Schnitt - mehr ist nicht möglich mit dem Gewicht am Rücken. Das Gelände ist gut, steinig, manchmal etwas sandig. Die Laune wird besser. Ich merke, mit dem richtigen Tempo wird es gehen. Der Rücken beginnt das Gewicht zu akzeptieren.

Ich komme gut voran, habe Hunger und entscheide mich für einen Winforce Gel, den ich geschenkt bekommen habe. Meine Nussstengel erschienen mir etwas zu trocken und ich fürchte, sie bleiben im trockenen Hals stecken. Das war ein Fehler. 5 Minuten später ist der Gel wieder draussen. Mit dem 2. Gel passiert das gleiche. Der Körper sendet all seine Energie in die Beine. Der Magen ist überlastet vom vielen Wasser und hat keine Lust auf diesen künstlichen Kram. 

In dieser Etappe lerne ich viel dazu und ich weiss, das Rennen geht nur mit folgenden 6 goldenen Regeln:

  1. Lauf Dein Tempo, aber laufe durch. 
    Never stop running. Einmal Anhalten und Marschieren und Du findest den Rhythmus nicht mehr.
  2. Kämpfe nicht gegen den Sand. 
    Liebe ihn, lese ihn und mache lieber einen Bogen um die Spuren, denn da sinkt man ein. Laufe Vorfuss, dann sinkst Du kaum ein - aber laufe!
  3. Trinke nach jedem Lied im iPod
    Ca. alle 5 Minuten, also nach jedem Lied 5 Schluck Wasser mit Winforcepulver trinken. Ist eine Flasche leer, 1 Salztablette nachwerfen. 
  4. Wer marschiert, darf keine Musik hören. 
    Beim Essen und marschieren darf ich keine Musik hören. Musik gibt’s nur fürs Laufen - somit ist‘s besser man läuft. 
  5. CPs (Checkpoints) sind die wahren Freunde. 
    Sie gelten für mich als Massstab für die Länge des Rennens. Am Tag 2 gibt’s 3 CPs - dort wird Wasser aufgefüllt und 3 Minuten verschnauft. Ich renne von CP zu CP und lerne durch meinen stets gleichen Lokomotiv-Rythmus und meine Swatchuhr einzuschätzen, wie lange es zum nächsten Checkpoint geht.
  6. Iss lieber im Ziel.
    Der Magen mag unterwegs nicht verdauen.

Ich komme ins Ziel und weiss nun, es wird gutgehen. Am Ziel angekommen, gehe ich das erste Mal ins Medical Tent meine Füsse behandeln. 

Schritt 1: Pflaster entfernen

Schritt 2: Füsse desinfizieren

Schritt 3: Einpacken und warten

Schritt 4: Der Podologe oder Arzt öffnet die Blasen, spritzt rote Flüssigkeit darunter, es brennt und man muss weinen oder schreien vor Schmerz, die Füsse werden verbunden. Tag für Tag etwas mehr … Ich lerne von einem Russen, bei der Behandlung etwas zwischen die Zähne zu nehmen und darauf zu beissen.

 

12. April 2016: Etappe 3, 37.5 km

Jeden Morgen das gleiche Prozedere: Um 5:30 Uhr wird man wach. Die Luft der Matte hat sich verabschiedet, man hat kalt. Dann lasse ich meinen Kocher an, mache meine Haferflocken mit Ovo. Dann gehe auf die «Toilette», ein Plastikstuhl, auf den man einen Plastiksack stülpt. Jetzt packe ich meinen Rucksack. Dann wartet man liegend, bis es 8:00 Uhr wird und man an den Start kann. 

Heute habe ich alles «Unnötige» aus dem Rucksack verbannt: Zahnpaste, Seife, Haarprodukt, Tee, Anzündwürfel, Riegel und die Hälfte des Winforce Pulvers. 
Der Rücken dankt es mir und die Etappe läuft mit dem sturen Einhalten meiner 6 goldenen Wüstenregeln gut. 

Mein Körper scheint sich an die Wüste anzupassen. Er murrt nicht wegen des Gewichts am Rücken. Das Gehirn läuft auf Sparflamme, arbeitet sich von Checkpoint zu Checkpoint, der Magen will nichts Festes, sonst reagiert er mit Durchfall. Die ganze Energie geht in die Beine. Die Zeiten, die ich mir für die Checkpoints ausgerechnet habe, stimmen auf die Minute genau.

Highlight des Tages: Ich treffe Simon Dicks und er offeriert mir doch tatsächlich ein HARIBO!! Thank you Man- was nice to meet you!

Ich freue mich auf die grosse Etappe. Ich weiss, dass ich nun eingelaufen bin und mir längere Strecken liegen. Am Nachmittag kann man eine Mail schreiben und dann heisst‘s wie immer nach dem Laufen: RELAX.

 

13. April 2016: Etappe 4, 84.3 km

Tag 4 startet wie erwartet gut. Ich weiss, dass mich 7 Checkpoints mit tollen Helfern erwarten, die mir immer wieder meine Flaschen mit motivierenden Sujets bemalen.

CP 1 ist erreicht und ich freue mich auf den grossen Anstieg eines Berges inmitten der Sahara. Generell ist diese Etappe geprägt von Bergen und ich blühe regelrecht auf und beginne die Landschaft zu geniessen.

Meine 6 Regeln laufen, ohne dass ich sie mir noch in Erinnerung rufen muss. 
Die Füsse schmerzen, aber es spornt mich an zu laufen, denn marschieren mit diesen Füssen ist unmöglich. Ziel ist es, den Boden möglichst kurz, aber in hoher Frequenz zu berühren, so halten sich die Schmerzen im Mass. Ich erreiche CP5 wie erwartet kurz vor Sonnenuntergang um ca. 19 Uhr und bin froh, 55 km hinter mir zu haben. Ich weiss, dass nun die Nacht und somit mein Laster kommen wird.

Um 19:30 Uhr aktiviere ich meine Stirnlampe. Eine halbe Stunde später wird mir schlecht und eine tiefe Krise macht sich breit. Ich begegne kaum Läufern und beginne zu weinen. Checkpoint 6 kommt wie eine Erleichterung. Er ist da und kaum ist er weg, kommt wieder das Tief. Freude und Leid liegen unglaublich nahe beieinander. 10 weitere Kilometer zu CP 7. Ich bin müde, erschöpft, meine Beine fühlen sich an wie ausgepresste Zitronen.

Ich weiss, dass ich nun irgendeine Strategie wählen muss, um diese Last hinter mich zu bringen. Absitzen ist keine Lösung. Laufen geht nicht mehr. Ich marschiere und versuche die Sterne zu zählen. Der Mond sieht aus wie eine Badewanne und ich stelle mir vor, wie der Mond zu Hause wohl aussieht. Meine Tochter und meine Tiere fehlen mir. Ich stelle mir vor, über das Fell meiner Hasen zu streichen. Das gibt mir kurzfristig ein gutes Gefühl. Ich versinke im Selbstmitleid und bin nur froh, dass ich CP 7 sehe. Die liebe Frau in CP 7 muntert mich auf und ich bin ihr unheimlich dankbar dafür. 

Von CP 7 aus sieht man das Ziel - es ist jedoch 10 Kilometer entfernt und nach anfänglicher Euphorie bald «zu Hause» zu sein, wie man das Zelt liebevoll nennt, kommt die Krise bald erneut wie ein Schlag zurück. Mir ist schwindlig und übel. Dann versuche ich an die Mädchen von Maiti Nepal zu denken. Der Gedanke, was sie alles durchmachen mussten, treibt mich weiter und weiter. Dann kommt das Ziel endlich näher und näher und ich bin nur unsäglich dankbar und verdammt müde.

Ich schlafe viel und höre das Erbrechen und Würgen von Läufern vor dem Zelt kaum mehr. Ich freue mich auf den erkämpften Ruhetag, auf meine Salznüsse und das Herumliegen im Zelt. Chapeau denen, die keinen Ruhetag einlegen konnten und immer noch in der Hitze kämpften!

 

15. April 2016: Etappe 5, 42.2 km

Letzte Etappe, die fürs Ranking zählt. Den Charity-Lauf marschieren wir zusammen mit den Zeltgspändli. Ich weiss, es sind nur noch 3 CPs und nach jedem CP ist es ein CP weniger, den ich in meinem Leben in der Wüste ablaufen muss. Das motiviert mich. Ich laufe trotz katastrophalen Füssen relativ schnell. Der Arzt hat mir Einlagen gebastelt und ich muss nicht direkt auf die Blase an den Fusssohlen auftreten. Ich beginne, es zu geniessen und weiss, ich komme nie mehr zurück. Dann sehe ich das Ziel und weine vor Glück und Dankbarkeit. 

Fra, der Arzt, der mir täglich die Füsse versorgt hat, steht am Ziel. Ich umarme ihn und er ist mit meinen Tränen etwas überfordert, aber freut sich riesig mit mir. Es folgt eine verdiente Cola vom Organisator.

Dann sehe ich Samir Akdar, ein marokkanischer Profiläufer, endlich mal live vor mir. Er wird Vierter! Bravo Samir! So eine Leistung und so eine Bescheidenheit der Marokkaner, die dieses Rennen anführen, faszinieren mich und ich denke mir, dass wir uns eine Ecke von ihnen abschneiden sollten.


Ich weiss, ich habe noch eine Mission: Als das Besenkamel eintrifft und der Mann immer noch gleich frisch wie am ersten Tag vor mir steht, empfinde ich nur tiefe Bewunderung. Auch heute gibt’s für ihn keine Medaille, dafür meine Swatch, den Kompass und mein Messer. Karma reloaded.

Der Kreis schliesst sich für mich hier. Ich bin unsäglich dankbar, dass ich so ein gutes Rennen laufen konnte, sich mein Körper so gut angepasst hat, meine Beine kräftig waren, mein Rücken den Rucksack akzeptiert hat, meine Füsse relativ gut über die Runden kamen und ich verschont blieb von längerem Erbrechen und Durchfall. Mein Training, v.a. die längeren Trainings an aneinander folgenden Tagen, waren Gold wert. Mit Rucksack trainieren wäre kein «Seich» gewesen, denn so hätte ich die Krise an Tag 1 reduzieren können. 

Ich danke allen Wüstengöttern, die es mit mir gut gemeint haben – Enshallah. Und ich danke von ganzem Herzen folgenden Personen:

  • Meinem Sponsor Starline.
    Ohne Euch hätte ich meine Haferflockensession noch ein paar Wochen fortsetzen müssen ;-) Danke von Herzen fürs Bezahlen des Startgeldes und des Materials! Es war mir eine Ehre, Euer Logo durch die Wüste tragen zu dürfen!
  • RUN FOR HOPE-Team und little Sean
    Ihr wart alle grossartig! Eure Unterstützung vor, während und nach dem Lauf hat zu meinem Zieleinlauf beigetragen! Ihr habt keinen Zieleinlauf verpasst und wart in Gedanken immer bei mir, und ihr habt Geld gesammelt und gesammelt! ;-)
  • Materli und Hannah
    Ihr seid immer in meinem Herzen mitgelaufen. Habt mich in Krisen unterstützt und mir Mut gemacht. Ihr habt die Stellung inklusive Tiere zu Hause gehalten, den Angriffen des Güggus getrotzt und das Schönste ist, dass ihr mich versteht und wisst, dass mich das Laufen unendlich glücklich macht! Es ist schön wieder bei Euch zu sein!
  • Ueli
    Danke, dass Du so gut zu meinen 4 Hunden geschaut hast und sie, während dem ich frei in der Wüste herumlief, sie bei Dir auch frei herumlaufen durften!
  • Ueli 
    Danke für die Vorbereitung meiner Hüfte auf die Strapazen. Ich hatte keine einziges Mal Hüftprobleme. Dein Massageball war der Renner im Zelt! ;-)
  • Daniela
    Danke für Deine effiziente Rückenmassage und das Richten meines Skeletts!
  • Mischu
    Danke fürs immer da sein für mich. Fürs pragmatische Unterstützen bei Equipmentfragen, fürs Lernen auf dem rosa Regenbogen zu surfen und cool zu bleiben - Du bist der BESTE und ich schätze Dich unglaublich fest! Der Kompasskurs holen wir nach ;-)
  • Rene
    Danke fürs Vakumieren meiner vielen Mahlzeiten! Nun weisst Du, wie’s geht ;-)
  • Margot
    Merci für die Fussvorbereitung - Du hast Wunder vollbracht!
  • Sandra
    Merci Boss! Merci, dass ich für Dich arbeiten darf. Merci, dass Du mein Hobby unterstützt, mir Freiraum schaffst und mich bei diesem Rennen jeden Tag aufs Neue motiviert hast!
  • Camping Burgistein
    Big Family sag ich nur und ich danke Euch allen, wie ihr zu mir und meiner Hannah schaut! Merci fürs Nähen!
  • Zelt 37
    Freunde, ihr seid grossartig. Ich habe jeden einzelnen von Euch aus tiefstem Herzen geschätzt!
  • Freunde und RUN FOR HOPE-Fans
    Danke an alle, die unerbittlich jeden Tag Nachrichten ins Zelt geschickt haben, mich über Facebook angespornt haben und mir so viel gute Energie geschickt haben! Ihr wisst nicht, wie wertvoll ihr alle seid und wart für mich!
  • Hoffnungsspender
    Ihr seid die wahren Helden! Danke von Herzen, dass ihr die armen Mädchen in Nepal unterstützt und ihnen ein kleines Stück Leben zurückgebt!
  • Corinne von Chance Suisse
    Danke Corinne, dass Du so viel Gutes für die Kinder in Nepal unternimmst! Du verdienst meinen Respekt!

Enshallah und auf zu neuen Abenteuern!



Update von Brigitte zur 5. MDS-Etappe über 42.2km.

«Ich bin im ziiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeelllllllllllll ... und es fühlt sich fantastisch an!» So kommentiert Brigitte den heutigen Abschluss des Marathon des Sables. Morgen steht noch der UNICEF Ehrenlauf mit 17.7 km auf dem Programm. Aber schon heute ist klar: Brigitte hat es gepackt! Wir ziehen den Hut und gratulieren Brigä von Herzen. Einfach wow! Hier für euch ihr Bericht von der heutigen Marathon-Etappe:

«der marathon war nix mehr gegen die strapazen vorher, einmal dieses rennen und nie mehr, hab ich mir heute gesagt, und der wüste adios gesagt. Gestern war ich bei meinem arzt, er hat mir 2 stunden meine füsse gemacht, heute war er im ziel und ich konnte nicht aufhören ihn zu umarmen. Summary: die hitze ist erträglich, man muss immer trinken und salz nehmen, dann kommts gut, die füsse sind mein Laster, aber sind gut gelaufen, laufen geht besser als marschieren, der rucksack und mein normales essen waren top, der körper wie immer verlässlich, «scheiche wie eiche» zahlen sich in der wüste aus, der geist gut, und auch auf den körper hören ist gold wert, ich sah leute mit nasenbluten, am röcheln ... da habe ich vorher das tempo reduziert. Jetzt warten wir auf die anderen vom zelt, ich glaube, es gab da irgend etwas, das es mit mir gut meinte. Danke an alle für eure mails, einfach klasse.»